Tron Legacy Fahrzeugdesigner Daniel Simon Interview

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TS: Wird es Sammlerstücke der Filmfahrzeuge geben ?

DS: Es gibt Edelspielzeuge für Sammler im dreistelligen Eurobereich. Aber wir haben die Fahrzeuge so speziell für die Filmwelt entworfen, dass es da Enttäuschung geben könnte, dass sie auf der Straße nicht funktionieren. Aber Disney ist ein Riesenkozern, wer weiß was da grade abgeht.

TS: Bist du selbst mit dem ersten Tron-Film groß geworden, warst du ein Fan ?

DS: Ich bin nicht damit aufgewachsen, ich hab ihn vor zehn Jahren zum ersten Mal gesehen, es war ein skuriles Erlebnis. Ich war nicht von Anfang an ein richtiger Tron-Fan. Ich hab eine andere Beziehung dazu. Als Designer bin ich ein persönlichen Freund von Sid Mead, dem Chefdesigner beim ersten "Tron"-Film. Der ist eine Ikone im Industriedesign. Das war, als wenn dein Freund ein Rockstar ist und du einen seiner Songs neu interpretierst. Da war sehr viel Druck weg.
"Tron Legacy" ist zwar eine Fortsetzung, aber es sollte ein alleinstehender Film sein. Wir haben vielleicht 20 % Sachen aus dem alten Film drin damit auch
Hardcore-Fans happy sind, aber wir wollen eine komplett neue Generation ansprechen, insofern haben wir auch ganz neue Sachen gemacht.

Tron Legacy Lightcycle
Tron Legacy Lightcycle

TS: Wie wir die geplante Tron-Fernseh-Serie aussehen ?

DS: Fernsehen hat ganz andere Budgets als Kino und die waren ganz froh, dass sie einen Filmtypen am Set hatten. Der Druck ist geringer, es wird auch oberflächlicher gearbeitet, es muss schneller gehen, die Budgets sind kleiner. Die Story ist verknotet mit dem Film, aber die Serie ist eher für Kinder gedacht, einfacher, vielleicht sind die Kostüme auch nicht so sexy.

TS: Was ist dein Lieblingsfilmauto ?

DS: Das Erste das mir bewußt ist, war der fliegende Citroen von Fantomas. Vor dem hab´ ich Schiß gehabt als Kind, aber Louis de Funes hat´s immer wieder hingebogen. Das letzte Batmobil hätte ich auch gerne gemacht. Das sieht so gut aus, da wäre ich auch stolz drauf.

TS: Woher kommt deine Faszination für Autos ?

DS: Ich finds lustig, dass wir das Auto nennen. Ich bin da ein Spinner und etwas weltfremd und versuche von außen auf die Welt zu sehen: wir haben ein Mobilitätsgerät mit vier runden Dingern dran und dann nennen wir das "Auto" und auf einmal wird das sowas Heiliges und jeder kennt sich damit aus. Selbst meine Mutter sagt was sie häßlich oder schön findet. Davon versuche ich wegzukommen, das nicht so ernst zu nehmen. Ich finde Autos sind eigentlich etwas Perverses. Ich hab in Japan gearbeitet, da hab ich kein Auto vermisst. Da fährt man Bahn, die kommt auf die Sekunde genau und ich finde es faszinierend, wie Menschen sich an ihre Umgebung anpassen. In L.A. fahr ich ein großes Autos weil ich als Selbstständiger viel Platz brauche, in Tokio vermisse ich kein Auto. Ich werf den Amerikanern nicht vor, dass sie große Autos fahren.
Ich interessiere mich eher für Mobilität. Ich finde den Segway-Roller total genial. Das ist für mich das geilste Konzeptfahrzeug der Welt. Wer damit mal gefahren ist, für den ist ein Auto total langweilig. Ich bin kein Super-Autofan, ich weiß auch nicht wie man ne Zündkerze wechselt.
Mir gehts mehr um Mobilität, um Formen und Flächen und dass es sexy ist.

TS: Technik kann also sexy sein ?

DS: Ich finds total sexy, guck mal wieviel Geld Leute dafür ausgeben. Denk nur an den I-Pod, der sich total gut anfühlt. Ich finds aber manchmal auch ein bißchen pervers, die Produktzyklen, und die Frage des Umweltschutzes.

TS: Haben sie Dinge in die Filmfahrzeuge integriert, die man vielleicht demnächst auf einer echten Autoshow sehen kann ?

DS: Mir gruselt´s schon vor den Fans, die ihre GTI´s und Kadetts mit Leuchtstreifen pimpen. Aber das find ich auch cool, denn es ist alles Spaß und Unterhaltung. Aber die Zukunftswelt sieht anders aus. Vor allem wird das alles weiß sein, nicht schwarz wie im Film.
Disney hat uns Designern viel Zeit gegeben, zu philosophieren: Quorra ist die Kämpferin, also mache ich ihr Auto eckiger. Die Lightcycles sind Sportmobile, also mach ich die athletischer, runder. Das kann der normale Kinogänger nicht analysieren, das funktioniert im Unterbewußtsein. Dafür gibt dir ein Studio normalerweise keine Zeit. Da fühlst du dich bei Disney total gut aufgehoben.

TS: Wenn man schon im Film vom Auto auf die Persönlichkeit schließen kann - was fährt denn ein Autodesigner selbst für ein Auto ?

DS: Ich bin kein Fan von hochausgestatteten Luxuswagen. Ich bin scharf auf nen Lotus Super-7, 500 Kilo, kein Dach, Fortbewegung pur. Heutzutage schleppt man soviel Blech mit sich rum, das ist eigentlich Quatsch. Meine Persönlichkeit ist im Moment 08/15. Ich fahre einen guten deutschen weißen Volkswagen. Ich bastel auch nicht an meinen Autos rum, da bin ich Purist und respektiere die Arbeit der Entwickler. Das höchste der Gefühle wären große Räder. Ich hab aber noch keine Zeit gehabt mir in Kalifornien was zu besorgen. Aber ein Modedesigner trägt manchmal auch Badelatschen.

Tron Legacy Lightrunner
Tron Legacy Lightrunner

TS: Wie bist du für den Film ausgesucht worden ?

DS: Es ist schon komisch. Ich lebe seit zwei Jahren in L.A. und das ist keine Stadt, das ist ein Moloch von Leuten aus aller Welt, die berühmt werden wollen. Wenn du zu Starbucks gehst, sitzen da zehn Leute mit nem Laptop drin und schreiben Drehbücher. Alle wollen zum Film, da kriegt man erstmal mit wie weit der Weg ist und ich kriegte eine Email von Joe (Kosinski, Regisseur Anm.d.Red.) und bin bei so einem Film dabei ! Das kann ich jetzt noch nicht verstehen, Andererseits hab ich da nichts anderes gemacht als in den 20 Jahren davor. Ich war Fachmann und Profi. Die haben auch was von mir gelernt.

TS: Warst du an allen Fahrzeugen beteiligt ?

DS: Nicht an allen, beim Container-Segler und beim Deaktivierer war ich nicht dabei. Aber ich war an zehn Fahrzeugen parallel über ein Jahr beteiligt. Das war ein Lebenstrum. Davor habe ich ein Jahr an einem Auto gearbeitet in der Autoindustrie. Das hier war das komplette Gegenteil.

TS: Sind die Designs komplett am Computer entstanden ?

DS: Wir haben auch "oldschool" gearbeitet, mit einem Blatt Papier und einem Kugelschreiber. Den kleinen Jet hab ich in der Mittagspause auf einem Post-It gezeichnet. An anderen hab ich fast das ganze Jahr verzeifelt am Rechner gearbeitet.

Die Regisseure sind mittlerweile sehr verwöhnt in Hollywood und wollen dass man Designs gleich dreidimensional ansehen kann nach einer Woche, damit sie schon ihre Kamereinstellungen planen können. Die beeinflussen dann wieder die Modelle, die wir real bauen. Alle Cockpits für die Schauspieler sind echt, lackiert, mit Licht, damit die auch richtig schauspielern können.

Und es geht auch gleich ins Pre-Vis. Eine Woche nachdem ich anfange was zu entwerfen bauen die den Film mit nem fast kompletten Schnitt zusammen. Und dann kommt vielleicht nochmal der Regisseur und sagt "Ich hab da eine Kampfszene, da ist das Gesicht von Jeff nicht richtig zu sehen, mach doch mal das Fenster ein bißchen größer". Es ist fast schon beängstigend,was heute alles geht.

Tron Legacy Lightcycle
Tron Legacy Lightcycle

TS: Wo sind denn die Grenzen der Vorstellungskraft ? Muß man sich in der Tronwelt an physikalische Gesetze halten ?

DS: Das Drehbuch ist das A und O, das ist fast alles fertig, bevor ich als Designer anfange und die haben so eine Art Gesetzbuch entworfen. Wir wussten es gibt eine Art Gewichtskraft, es gibt Aerodynamik, Wolken und Regen. Es gab so ein Schlgwort: "You can get hurt in Tron-World" und das sind gute Grenzen. Wenn man einem Designer wie mir keine Grenzen setzt, kommt nur Quatsch raus. Probleme lösen macht eigentlich am meisten Spass.

TS: Wie viel Freiraum hattest du dabei ?

DS: Der Regisseur kam jeden Freitag vorbei und außerdem hatte ich noch einen Designchef. Ich war ja nicht der einzige Designer, es gab auch welche für Kostüme, Architektur. Man hat eigentlich keine Freiheiten, weil im Drehbuch genau drin steht was gemacht werden . Man sagt dir dann "das hier darf nur einen Meter breit sein", aber was du innerhalb dieses Meters machst ist komplett deine Entscheidung. Das ist dann deine kreative Freiheit, da bist du Designer. Danach was du aus diesem Freiraum machst wirst du auch ausgesucht, die gucken sich deine früheren Arbeiten an.

TS: Gab es für die Entwicklung noch Entwürfe vom Vorgängerfilm oder hast du dir den alten "Tron-Film" angeguckt ?

DS: Wir haben die Skizzen der Jungs von damals gehabt. Es war nicht so wie heute, wo der Film das zeigt was du dir ausgedacht hst. Der Film war damals nur eine Interpretation von deren Ideen. Für mich waren die Zeichnungen viel beeindruckender als der Film.

TS: Was passiert jetzt mit den Fahrzeugen, die du entworfen hast ?

DS: Ganz komplett gibt es nur zwei Lightcycles, die wir für die Fans auf der Comic-Con gebaut haben. Da schlagen Männerherzen sofort höher. Die funktionieren aber leider nicht. Alle Cockpits, die fürs Set gebaut wurden, funktionieren aber, du drehst den Schlüssel rum, dann gehen die Lichter an und sogar die Schauspieler haben Tränen in den Augen und dann spielen sie auch ganz anders. Sonst ist ja alles nur Blue-Screen heutzutage. Die Modelle stehen bei Disney in Burbank im Keller unter einer Folie. Vielleicht machen wir ja noch einen neuen Film, dann brauchen wir sie wieder.

TS: Tut dir das nicht leid, dass sie nur für einen kurzen Moment gebraucht wurden ?

DS: Nee überhaupt nicht, weil das heißt es gibt was Neues. Für mich ist das Ende von Etwas immer ein neuer Anfang.

TS: Findest du es schade , dass Entwürfe, an denen du Monate gearbeitet hast, nur kurze Zeit im Film zu sehen sind ?

DS: Nein, vier Sekunden sind eine Ewigkeit im Film. Ich find´s erschreckend, wie lang vier Sekunden sind, wenn man mitkriegt wie Schauspieler sich drum kloppen, eine halbe Sekunde im Bild zu sein. Wenn man alles zusammenschneidet sind meine Sachen eine halbe Stunde zu sehen. Wenn man´s länger sehen würde, könntest du auch die ganzen Tricks erkennen, mit denen wir rumgespielt haben. Ich bin übrigens auch selbst für eine Sekunde im Film. Ich wollte mir mal die Dreharbeiten angucken, und der Regisseur hat mir und zwei anderen Designern ein Kostüm schneidern lassen und jetzt sind wir in der Nachtklub-Szene als Programme zu sehen.

TS: Es gibt nicht viele Filme, für die völlig neue Fahrzeuge entworfen werden. Manchmal wird vielleicht ein neues Concept-Car eines Herstellers verwendet. Kann man davon leben Filmautos zu entwerfen oder wirst du demnächst wieder für Autohersteller arbeiten ?

DS: Ein interessantes Thema, wo wir auch auf Product-Placement kommen. Es sind natürlich Hersteller daran interessiert, ihre Autos zu zeigen und auch ihren eigenen Designern so einen Chance zu geben. Ich sage nur "I,Robot" mit Audi. Die sagen sich dann "gönnen wir unseren Designer mal etwas Spaß, machen wir einen Deal mit Warner". Sowas komplett neu zu entwerfen ist selten, aber je weiter sich die Computer entwickeln, desto einfacher wird es auch. Im Moment sagt sich ein Produzent der aufs Geld gucken muss noch: "kaufen wir vier lieber alte Ferrari und machen eine etwas andere Karosserie drüber. Das ist natürlich für einen Designer ein Albtraum. Aber für mich ging es gleich weiter. Ich bin nach "Tron:Legacy" zu Marvel gegangen und war Chefdesigner für die Fahrzeuge bei "Captain America". Da hab ich sieben Fahrzeuge aus den 40er-Jahren entworfen, die wurden komplett gebaut, mit denen kann auch herumfahren. Das war der Hammer. Von der Politik mal abgesehen waren die 40er für einen Designer auch eine interessante Phase. Ein Traumberuf. Jetzt bin ich für Disney wieder bei der "Tron"- Fernsehserie dabei. Aber es rufen auch ganz andere Leute an. Ich haben einen Deal mit dem Formel-1-Team HRT. Für die mach ich den kompletten Look des Rennstalls.