Der Kick Filmtipp

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Susanne-Marie Wrage und Markus Lerch spielen die fast 20 Rollen des Films mit beeindruckender Präzision und Intensität. Schauspieler und dargestellte Person behaupten keine Identität. Die Inszenierung verzichtet auf vordergründige Illustrierung, Licht und Kameraarbeit schaffen einen Resonanzboden für den Text – und das Schweigen. In der Verschränkung filmischer Mittel mit solchen des Theaters, von nüchterner Darstellung und Fiktionalisierung geht Der Kick an die Grenzen des dokumentarischen Genres. Es wird möglich, sich mit dem Unfassbaren zu befassen.

In der Nacht zum 13. Juli 2002 misshandeln die Brüder Marco und Marcel Schönfeld und ihr Bekannter Sebastian Fink den 16jährigen Marinus Schöberl. Täter und Opfer kennen sich. Sie kommen aus Potzlow, einem Dorf 60 Kilometer nördlich von Berlin. Die Täter schlagen über Stunden hinweg auf ihr Opfer ein. In einem Schweinestall muss Marinus in die Kante eines Futtertrogs beißen. Nach dem Vorbild des Bordsteinkicks aus dem Film American History X tötet Marcel sein Opfer durch einen Sprung auf den Hinterkopf. Die Täter vergraben die Leiche in einer nahegelegenen Jauchegrube. Vier Monate später werden die Überreste von Marinus Schöberl gefunden.

Der Regisseur Andres Veiel und die Dramaturgin Gesine Schmidt haben sich über Monate auf Spurensuche nach Potz-low begeben. Sie sprachen mit den Tätern, Dorfbewohnern, Angehörigen von Opfer und Tätern und studierten Akten, Verhörprotokolle, Anklage, Plädoyers und Urteil des Gerichtsprozesses. Die Ergebnisse ihrer Recherche verdichteten sie zu einem filmischen Protokoll für zwei Schauspieler. Der Kick versucht, den Strukturen und Biographien hinter der Tat eine Sprache zu geben. „Es geht darum“, sagt Andres Veiel, „über das Entsetzen hinaus Fragen zuzulassen, Brüche auszuhalten und einen Bruchteil zu verstehen.“