Muppets versaut: Trailer zu The Happytime Murders
©

Muppets versaut: Trailer zu The Happytime Murders

Bild von Jochen Becker
Veröffentlicht

„Kein Sesam. Nur Straße.“: So lautet die ebenso lakonische wie geistreiche Posterschlagzeile für THE HAPPYTIME MURDERS. Eine Subline, die den außergewöhnlichen Charakter des komplett an ein erwachsenes Publikum gerichteten Puppenfilms perfekt auf den Punkt bringt. Die plüschigen Protagonisten von Brian Hensons tricktechnischem Geniestreich mögen in Stil und Anmutung an Klassiker wie „Muppet Show“ oder „Sesamstraße“ erinnern. Mit dem guten alten Kinderprogramm aber haben sie so gar nichts gemeinsam. Hensons Film ist tatsächlich ganz „Straße“ (eher sogar: „Gosse“), und was er dort findet, ist eine schamlos-obszöne Melange aus hartgesottenem Crime, derbem Sex und deftiger Action. Staunt mit im Trailer, direkt hier unter diesem Text.

Henson, Sohn und legitimer Nachfolger von Puppenlegende Jim Henson, erschafft für THE HAPPYTIME MURDERS nichts weniger als eine eigene Welt. In Los Angeles koexistieren Puppen und Menschen schon seit eh und je friedlich nebeneinander. Die „Stoffis“ allerdings sind Underdogs, die von den „Fleischis“ kräftig diskriminiert werden und oft sogar physisch malträtiert. Im Zentrum der Geschichte steht Phil Philips, ein klassischer Privatdetektiv in der Tradition von Spade und Marlowe (wäre er keine Puppe!), der mal ein Cop war, bis er in bedrohlicher Lage sträflich versagte. Jetzt zieht ihn ein scheinbar kleiner Fall hübsch genrekonform in ein immer größeres und unübersichtlicheres Netz aus Verbrechen und Gewalt. Phils Recherche führt ihn mitten hinein in die No-Go-Areas von L.A. – in Puppen-Sexshops, wo höchst groteske Pornos produziert werden; in düstere Hinterzimmer, wo gezockt und gekokst wird; in billige Nachtklubs, wo Pole und Lap Dance Tänzerinnen wie Phils alte Flamme Jenny (Elizabeth Banks) den flauschigen Kunden den Kopf und die Möhre verdrehen. Egal wohin der zynische Schnüffler auch kommt, überall geschehen brutale Morde an scheinbar willkürlich ausgewählten Puppen, und irgendwann macht Phil seine ständige Präsenz sogar selbst zum Verdächtigen. Ein Muster zieht sich durch die vergnüglichen Splatter-Morde: Alle Opfer waren einst Mitglieder der „Happytime Gang“, den Titelhelden einer ehemals populären TV-Serie. Irgendjemand ist hinter ihnen her, und die Frage lautet: Wer und warum?

Hensons Inszenierung etabliert das kuriose Setting mit solcher Eleganz, dass man das Nebeneinander von Puppen und Menschen bald für vollkommen selbstverständlich hält. Philips trifft gleich nach dem ersten Happytime-Mord auf seine Ex-Kollegin Connie Edwards (Melissa McCarthy). Die beiden sind einander in tiefer Abscheu verbunden, woraus sich einige köstliche verbale Sparrings ergeben, doch mit der Zeit werden sie von den Umständen zur Kooperation gezwungen. Ohne dem Film zu viel tiefere Bedeutung beimessen zu wollen (hier geht es vor allem um schrille Gags, lustvolle Provokation und köstliche Übertreibung), kommt dabei ein durchaus humanistischer Aspekt zum Tragen: vordergründig die Überwindung alter Feindschaften, dahinter die Versöhnung zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, denn die Puppen repräsentieren selbstverständlich sämtliche unterdrückte Minderheiten der Welt.

Doch bevor es soweit ist, entspinnt sich eine vor abstrusen Einfällen und bizarren Figuren schier überbordende Krimikomödie, in der sich Henson einerseits ehrfürchtig vor dem Film Noir verneigt, andererseits total respektlos sämtliche Konventionen durch den Kakao zieht und eine parodistische Spitze auf die nächste folgen lässt. Das Resultat ist ziemlich einmalig, irgendwas zwischen Puppen auf Ecstasy, Bogart im Gewaltrausch, DIE NACKTE KANONE mit Puppen. Und kein Sesam weit und breit!  

AltersempfehlungAb 12
Gesprächswert98%