Homecoming Serie: Kritik zu Staffel 2
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Homecoming Serie: Kritik zu Staffel 2

Bild von Nils Zehnder
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Gedächtnis- und Kontrollverlust sind die Grundmotive von „Homecoming“. Mit der neuen Staffel setzt Prime Video den Thriller Epos, der einst mit Julia Roberts begann, fort.

Richard von Weizsäcker sagte einst, dass man durch das Verschließen der Augen vor der Vergangenheit, blind werde für die Gegenwart. Doch was, wenn einem genau diese Vergangenheit fehlt. Zwar hat man einzelne Erinnerungen, doch wer man eigentlich ist, ist völlig unklar. Mit diesen Punkten beschäftigt sich „Homecoming“.

Ein Boot ohne Paddel

Ein See umgeben von Wald – alles sieht nach Idylle aus. Mittendrin ein Ruderboot. Darin liegend die gerade wach werdende Jackie. Das Handy gerade versehentlich ins Wasser geworfen, treibt sie vor sich hin - in einem Boot ohne Paddel. Ein Mann dessen Kontur wir nur erahnen können steht am Ufer, doch rennt schnell weg. Jetzt heißt es an Land kommen. Als sie das Ufer aus eigener Kraft erreicht hat, ist es bereits Nacht. Im Wald allein gelassen wird sie von einer Polizistin aufgegriffen. Für sie ist es der klare Fall einer verwirrten Frau – ab ins Krankenhaus. Dem behandelnden Arzt fällt schnell der Bluterguss am Arm auf. Ob sie wohl nur ein Junkie auf der Suche nach dem nächsten Kick ist? Für Jackie keine Frage, für sie bleibt nur eines: Flucht. Nur mit Hilfe einer Serviette aus ihrer Tasche heißt es jetzt herauszufinden wer sie ist und wie sie in dieses Boot kam.

2018 veröffentlichte Amazon auf deren Streamingdienst Prime Video die erste Staffel. In der Hauptrolle niemand geringeres als Hollywood-Urgestein Julia Roberts. Gerade jene Schauspielerin, die sich schon auf der großen Leinwand rar machte, zog es nun in einer Serie auf die heimischen Bildschirme. Schnell waren die Augen vieler Kritiker auf den Thriller gerichtet. Die anfängliche Skepsis wegen der Verfilmung eines Podcast löste sich schnell auf und „Homecoming“ mauserte sich zu einer Art Geheimtipp in der weiten Streaminglandschaft.

Mit der neuen Staffel setzt man die Geschichte rund um das Homecoming-Center für Veteranen und die leitende Firma Geist fort. Wie die ehemalige Protagonistin Heidi Bergman (gespielt von Julia Roberts) zuvor bereits nach eigener Amnesie feststellen musste, steckte hinter dem Hilfsprogramm deutlich mehr. Systematisch radierte man das Gedächtnis von Veteranen aus, um diese so wieder einsatztauglich zu machen – eine Kreierung von Maschinen. Schlussendlich wurde das Programm durch eine Untersuchung gestoppt und die Fadenführenden zur Verantwortung gezogen. Damit endete die erste Staffel.

So erschufen die Serienschöpfer Micah Bloomberg, Eli Horowitz und Sam Esmail eine abgerundete Thriller-Story, bei der man sich schon bei der Ankündigung fragte, wie ein Anschluss aussehen könnte. Zwei Jahre lüftet sich nun der Schleier.

Alles beim Alten?

Das Endresultat ist erwartungsgemäß erneut eine Kritik an den USA und deren Umgang mit dem Krieg. Vermischt wird das in „Homecoming“ mit Verschwörungstheorien, die man in die Realität umsetzt. Beim Stil bleibt man sich hierbei der ersten Staffel treu. Ikonisch anmaßende Kamerafahrten, ruhige Szenen, berauschende Klänge und ein perfekt abgestimmtes Setting bestimmen die Serie. Spätestens beim schlagartigen Einfall des Episodentitels findet man sich in deren Welt wieder.

In der zweiten Staffel rücken Geist als agierende Firma und deren Homecoming-Schirmherr Colin Belfast in den Hintergrund. Stattdessen dreht es sich neben Jackie primär um, die in Staffel 1 noch als Sekretärin arbeitende, Audrey Temple.

Wie bereits angerissen wurde, konnte die sich trickreich nach oben arbeiten. Das aufkommende Interesse des Verteidigungsministeriums nutzt sie nun gekonnt aus, um ihre Position zu festigen. Fremdbestimmt leitet sie Geist in eine gefährliche Richtung.

Wie schon bei der Optik bleibt man sich auch bei der Grundstruktur treu. Die Episodenlänge ist mit 30 Minuten erneut kurz und lässt die Serie trotz der langsam eleganten Erzählweise sehr kurzweilig wirken. Gerade das stückchenweise Erarbeiten der Handlung hält die Spannung auf einem Dauerhoch. Das Konzept der Serie geht dabei voll auf und könnte für sich gesehen gut sein.

Nun rollt man allerdings die abgerundete Story erneut auf und reichert diese um bisher unbekannte Fassetten an. Fassetten die, wie man den Machern zugestehen muss, sehr intelligent sind, allerdings nicht wirklich nötig wären. Die detaillierte Ausarbeitung zerstört in gewissen Zügen das Mysteriöse und Offene der Serie.

So ist das Fehlen von Julia Roberts im Cast nicht mal ein Abbruch für die Fortsetzung. Der Cast für sich ist gut gewählt und wiederkehrende Darsteller wie Stephan James als Walter Cruz und Hong Chau als Audrey Temple sorgen für genug Wiedererkennungswert. Das direkte Einbinden von Julia Roberts Rolle wäre vielmehr eine Verstärkung der Negativpunkte im Sinne der fehlenden Kreativität gewesen.

Um allerdings an die Genialität der ersten Staffel zu gelangen, hätte es zumindest im Drehbuch Stellen, wie jene mit Julia Roberts geben müssen. Die ruhigen, sehr authentischen Therapiesitzungen und die Chemie zwischen Cruz und Bergman sucht man vergebens. Eine gezeigte Beziehung in der neuen Staffel soll womöglich durch die Kälte konstatierend sein, reicht allerdings nicht zur Kompensation.

Fazit

Herausgerissen betrachtet kann die zweite Staffel von „Homecoming“ mit Sicherheit unterhalten. Auch sticht sie im Vergleich zu üblichen Formaten heraus. Doch um mit der vorangegangenen Glanzleistung mitzuhalten, hätte mehr getan werden müssen. Sehenswert ist sie geworden, die neue Staffel, doch die Einzigartigkeit gibt man damit auf.

Homecoming ist ab dem 22. Mai im englischen Originalton verfügbar. Die deutsche Version folgt später im Jahr. Hier im Player haben wir den Trailer zur zweiten Staffel für euch.

AltersempfehlungAb 12
Gesprächswert60%

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